Bauhistorische Abbruchdokumentation des ehemaligen Ritterguts in Calbe (Saale)

Das ehemalige Herrenhaus des Ritterguts in Calbe ist eines der geschichtsträchstigsten Bauwerke der Saalestadt im Landkreis Salzland. Die Existenz des Freiguts geht vermutlich auf einen der beiden Königshöfe zurück, die Kaiser Otto der Große dem Moritzkloster in Magdeburg im Jahr 965 schenkte. Daraus entwickelte sich mit der Gründung des Erzbistums drei Jahre später eine erzbischöfliche Curia. Mit dem Bau des erzbischöflichen Schlosses im Jahr 1363 nordöstlich der Stadt wurde die Curia überflüssig. Wohl in diesem Zusammenhang wurde sie aufgeteilt und an Ministeriale des Erzbistums verlehnt. 1511 belehnte Erzbischof Ernst II. von Wettin den Amtmann Simon von Hacke mit dem Gut. Nach 1604 erwarb es Joachim Balthasar von Haugwitz. 1622 wurde vermutlich im Herrenhaus Anna Margareta von Haugwitz geboren (gest. 1673), die 1640 den schwedischen General und späteren Reichsmarschall Carl Gustav Wrangel, Graf von Salmis (1613-1676), heiratete, einen der Hauptakteure im Dreißigjährigen Krieg. Nach jahrzehntelang unterlassenem Bauunterhalt bleibt 2011 tragischerweise nur der Abbruch als einzige wirtschaftlich tragbare Option. Die Abbruchdokumentation konnte trotz des einsturzgefährdeten Zustands mehre Bauphasen verfizieren, deren älteste in Form einer Kemenate möglicherweise noch in das Spätmittelalter datiert werden kann. Wohl im 17. Jahrhundert erfolgte nach einer Brandzerstörung ein vergrößerter Neubau unter Verwendung der älteren Teile. Nach dem großen Stadtbrand 1713, der auch das Rittergut heimsuchte, ließ Anna Catharina, Witwe des kurfürstlich-brandenburgischen und bernburgisch-anhaltischen Rats, Stadtsyndikus und Bürgermeisters Johann Friedrich Reichenbach, das Herrenhaus im Jahr 1715 wieder errichten. Weitere Veränderungen folgten bis ins 20. Jahrhundert, als die angrenzenden Wirtschaftsgebäude als Konservenfabrik genutzt wurden. Nach dem 2011 erfolgten Abbruch der Gebäude konnten durch Archäologen bedeutende Bodenfunde aus dem Hohen Mittelalter geborgen werden.

Maßnahmen: bauhistorische Dokumentation (Archivforschung, Materialkartierung, Baualterspläne, fotografische Dokumentation), Erstellung eines Innenaufmaßes (GK II) und von Fassadenfotogrammetrien

Bearbeiter: Achim Todenhöfer (bauhistorische Dokumentation, Kartierung), Wolff-Dieter Borchardt (Vermessung), Ingo Nawrath (Fotogrammetrie)

 
 
 

 

calbe ritterstraße 1

Ansicht von Osten (Turm der Stephanskirche)
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materialkartierung

Materialkartierung der Westfassade

Farbbefund mit Fugenstrich

baualtersplan

Baualtersplan des Erdgeschosses

portal

Portal des 19. Jahrhundert an der Ostfassade